Predigt über das Gebet

Liebe Gemeinde,

vielleicht kennen Sie die Fernsehserie „Um Himmels willen“, in der der knorrige Bürgermeister Wöller, dargestellt durch Fritz Wepper, sich im täglichen Kleinkrieg mit den Schwestern des Klosters Kaltenthal befindet, wobei dieser stets komödiantische Kleinkrieg eigentlich auf einer versteckten Sympathie beruht.

In einer Folge entschließt sich Bürgermeister Wöller dazu, doch noch mal das Gespräch mit seinem Herrgott zu suchen. In der kleinen Klosterkapelle, wo das lebensgroße Kruzifix hängt, geht er – der sonst um keinen Kommentar verlegen ist – etwas befangen auf und ab, um schließlich zu Christus am Kruzifix zu sprechen: „Wir haben ja schon länger nicht mehr mit einander geredet. … Ich weiß garnicht, ob Sie mich überhaupt noch kennen.“

In seiner Verlegenheit meint Bürgermeister Wöller offensichtlich, man müsse Jesus siezen.

Schon weiter ist da der Hamburger Polizist aus dem „Großstadtrevier“ Jan Fedder, der in seiner ebenfalls knorrigen Art einmal sagte. „Ich spreche eigentlich immer öfter mit Gott“ – um mit einem Augenzwinkern hinzuzufügen: „Wir sind mittlerweile per Du.“

Ja, das ist es: Mit Jesus ist man immer per Du. Und beide – Wöller/Wepper und Fedder – haben richtig erkannt, was das Gebet ist. Es ist ein Gespräch, ein Gespräch mit Gott.

Soweit, so einfach. Aber dann beginnen erste Schwierigkeiten. Nicht immer fällt uns das Gespräch mit Gott so einfach wie Jan Fedder. Viele sind eher Bürgermeister-Wöller-Typen, die eben dieses Gespräch nicht gewohnt sind. Und deshalb kommt es auch oft schwer in Gang. Ganz normal! Stellen Sie sich vor: Sie haben einen sehr guten Freund, aber jahrelang lassen Sie nichts von sich hören, keine Weihnachtskarte, kein Anruf. Aber nach  Jahren müssen Sie ihn um einen großen Gefallen bitten. Sie rufen ihn also an. Ein Gespräch, in dem der Beginn sicher nicht so einfach ist. So geht es vielen mit dem Gebet.

Das kann manchmal dramatisch sein: Ich kenne die Geschichte, wie im Zweiten Weltkrieg ein Soldat schwer verletzt auf dem Schlachtfeld liegt. Seine Kameraden versammeln sich um ihn, da bittet der Sterbende. „Kann jemand ein Vaterunser beten.“ Und all diese gestandenen Männer, die auf den Schlachtfeldern so  viel gesehen haben, sind wortlos. Sie können kein Vaterunser. Verzweifelt schreit der Soldat: „Muss ich den hier verrecken wie ein Tier, kann den keiner ein Vaterunser?“ Der Soldat stirbt ohne Gebet.

Nun wir sind nicht auf Schlachtfeldern, Gott sei Dank. Aber es gibt z.B. auch das stundenlange Warten vor Operationssälen oder Intensivstationen, da wo das Gebet dramtatisch wird, in Bitte und Hilferuf. Wie schlimm, wenn es dann nicht funktioniert.

Also sicher können wir als erstes festhalten: Das Gebet ist ein Gespräch mit Gott. So einfach und doch manchmal so schwer.

Der zweite Punkt: Warum beten wir? Antwort: Weil Gott es so möchte. Braucht Gott denn unser Gebet? Er ist doch allwissend? Er weiß doch schon vorher, was wir beten? Ja, dass stimmt. Gott braucht nicht unser Gebet, aber er möchte es. Er möchte eben mit seinen Geschöpfen im Gespräch bleiben. Das heißt: Er sucht, er wünscht, dass seine Kinder mit ihm reden, er will Gemeinschaft, täglichen Umgang miteinander, Vertrauen. Deshalb heißt es in der Bibel immer wieder, dass wir beten sollen.  Gott ist ein liebevoller Vater, und welcher Vater wollte denn nicht, dass seine Kinder mit ihm reden.

Noch wichtiger aber ist, dass wir die Gemeinschaft mit Gott brauchen, die durch das Gebet hergestellt wird. Im Gebet ist Gott für uns gegenwärtig.

Ein anderer Grund kommt hinzu. Er ist, dass wir einen Sinn dafür bekommen, was Gott für uns tut. Wenn wir ihn bitten, wenn wir ihm danken, dann wird uns auch bewußt, was wir von Gott erhalten, und das ist eben unendlich viel. So ist das Gebet in diesem Sinne auch eine Bewußtseinsübung, ein Dankbarkeitstraining.

Zum dritten: Wozu beten wir? Wenn wir ehrlich sind, doch meistens deshalb, damit uns Gott eine Bitte erfüllt! Wenn wir uns ein wenig auf das besinnen, was wir bisher gesagt haben, dann wird deutlich, dass diese Absicht etwas kurz  gegriffen ist: Ein Gebet nur, damit mit Gott einen Wunsch erfüllt? Wir machen dann, statt aus dem Gespräch, um das es doch im Gebet geht, Gott zum großen Nikolaus, der eben (gefälligst) tun soll, was wir möchten. Und bitte ganz schnell.

Da habe ich seit Jahren nicht mehr gebetet, dann sage ich: „Lieber Gott, mach bitte das und das.“ Und dann tut Gott das nicht, und ich sehe vermeintlich doch, dass Beten eben nichts nützt.  Ja, wenn ich so an die Sache herangehe …

Beten erwächst eben aus dem geübten Gespräch, aus einem Gebetsleben, aus einem – wenn möglich – täglichen Umgang mit Gott. Und in diesem täglichen Umgang kommt dann auch meine Bitte zur Sprache. Ich lege sie Gott vor, ich bestürme ihn vielleicht damit. Aber ich weiß, dass ich zum guten Vater rede. Und wie das Kind schon beim irdischen Vater das Zutrauen hat, dass er die Bitte hört und sein Bestes tut, um wieviel mehr beim himmlischen Vater! Dabei wird schon der irdische Vater dem Kind nicht jede Bitte erfüllen. Er weiß, dass ihm dieser oder jener Wunsch vielleicht nicht gut tut. Das gibt es auch beim himmlischen Vater. Er erfüllt auch nicht jede Bitte (sofort), machmal auch anders als wir dachten. Aber er hört uns. Und in einem Gebetsleben machen wir dann auch die Erfahrung, dass er hört und wie und wann er handelt.

Wir sollen einfach kindlich bitten, aber wir sollen nicht kindisch bitten. Wir sollen nicht versuchen, Gott mürbe zu machen wie ein quengelndes Kind. Aber wir dürfen, ja wir sollen voll Vertrauen immer wieder kommen. Beter sind oft Langstreckenläufer.

Und die abschließende Überlegung: Wie beten wir?

Es gibt nicht die Form. Ob ich die Hände falte oder nicht, ob ich sie zum Himmel halte oder nicht, das ist egal. Es kommt auf die innere Konzentration an. Schließlich spreche ich mit Gott. Ob ich kniee oder stehe, auch das ist egal, es kommt auf die innere Haltung an.

Manche benutzen vorgefertigte Gebete, die man natürlich zuhauf im Internet findet. Schön ist es, wenn ich als Kind Gebete gelernt habe. Ich kann immer wieder darauf zurückgreifen. Denn ich bin doch Gottes Kind. Es gibt auch die Psalmen in der Bibel, in der eigentlich jede Situation – Klage, Freude, Dank, Leid, Mobbing, Lob Gottes und was es auch sei – angesprochen wird. Da finde ich mich in der Person des Beters wieder und kann seine Worte übernehmen. Und dann gibt es natürlich das Gebet, das die Welt umspannt, das Vaterunser. Das Gebet, das Jesus uns selbst ausdrücklich begebracht hat. Es ist sicherlich vor allem zu empfehlen.

Es gibt auch verschiedene Gebetstechniken. Etwa das  in der orthodoxen Kirche weitverbreitete Herzensgebet, wo mit dem Einamtmen gebetet wird „Herr Jesus“ und mit dem Ausatmen „erbarme Dich“. Hier geht das Gebet automatisch in Körperlichkeit über und wirkt psyschosomatisch.

Es gibt natürlich das Gebet in einer Art meditativer Versenkung. So hat Gerhard Teesteegen, dessen Lied „Gott ist gegenwärtig“ wir sicher alle kennen, einmal gesagt, Beten sei eigentlich nichts anderes, als Gott zu beschauen, und sich von Gott beschauen zu lassen. Es ist also das stille Gegenwärtig sein vor Gott. Ich muss nicht viele Worte machen. Ich kann auch einfach da sein. Das kann bei einem Sonnenuntergang – vielleicht sogar am Meer – sein, auf der taubedeckten Wiese am Morgen oder einfach im Lieblingssessel zu Hause.

Wie auch immer, auch hier gibt es keine festgeschriebene Regel. Aber: Das einfache, völlig unkomplizierte Gespräch wird sicher am besten sein. Gott hört!

AMEN